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Komplexe Anforderungen am Bahnhof Winterthur

Projektwettbewerb Stellwerk 2

Komplexe Anforderungen am Bahnhof Winterthur

Die SBB kürt ein gemischt genutztes modernes Gebäude mit hohen städtebaulichen und architektonischen Anforderungen am Gleisfeld des Bahnhofs Winterthur.

AUFTRAGGEBER

SBB Immobilien AG, Zürich

ZEITRAUM

2018 - 2019

ANSPRECHPERSON

Moritz Hiltebrand

m.hiltebrand@planwerkstadt.ch

+41 (0)44 456 20 21

Stadt Winterthur

Am Bahnhof Winterthur besitzt die SBB Immobilien AG ein prominent situiertes Grund­stück, welches die letzte Bau­lücke in der Reihe entlang des Bahn­hof­platzes dar­stellt. Die SBB kürte mit einem Projekt­wett­bewerb ein städte­baulich und archi­tek­tonisch über­zeugendes Projekt. Das Ge­bäude bein­haltet Retail- und Gastro­flächen im Erd­geschoss sowie Büro- und Wohn­nutzungen in den Ober­geschossen. Planwerkstadt wurde mit der Orga­nisation und Durch­führung des Verfahrens beauf­tragt.

Auch wenn der Bahnbetrieb in der Schweiz grundsätzlich sehr reibungslos und pünktlich verläuft, heisst es dann und wann «Verspätung infolge Stellwerkstörung». In Winterthur wird das Stellwerk 2 teilweise über einen bestehenden unterirdisch angelegten Relaisraum gebaut; eine äusserst komplexe Anforderung. Hier läuft die Bahntechnik zusammen - sprich unzählige Relais mit zigtausenden elektrotechnischen Kontakten verbunden durch kilometerlange Drähte (siehe Bild).

Die Stadt an der Eulach wird oft als Tor zur Ostschweiz bezeichnet. Bekannt ist die zweitgrösste Stadt des Kantons Zürich aber auch als bedeutende Industriestadt mit zahlreichen Dienstleistungs-, Bildungs- Kultur- und Freizeitangeboten. Das macht den Bezirkshauptort attraktiv für ein grosses Einzugsgebiet auch dank der Nähe zu Zürich. In den nächsten Jahren ist mit einem weiteren grösseren Wachstumsschub zu rechnen. Der Bahnhof in «Winti», wie die Stadt umgangssprachlich liebevoll genannt wird, bewältigt bereits heute die landesweit fünfthöchste Passagierfrequenz. 

Das Areal Stellwerk befindet sich an zentraler Lage zwischen Gleisfeld und Bahnhofplatz. Bereits 2010 wurde eine erste Etappe (Stellwerk 1) durch agps architecture ltd. realisiert. Der 2006 genehmigte private Gestaltungsplan «Milchküche» bildete bereits zu diesem Zeitpunkt auch die baurechtliche Grundlage für die Überbauung des Gebäudes Stellwerk 2. Als stark einschränkende Rahmenbedingung galt es, den bestehenden Relaisraum, welcher die gesamte bahntechnische Steuerung des Knotens Winterthur beinhaltet, zu überbauen. Dies stellte aufgrund der statischen Anforderungen und der erschütterungssensiblen Steuerungen eine grosse Herausforderung dar. Weiter musste die bestehende Velostation um weitere 500 Abstellplätze ergänzt werden.

Komplexe Anforderungen

Im Erdgeschoss war die stark frequentierte Verbindung zwischen Bahnuferweg und Bahnhof zu würdigen und der Fussabdruck auf die verkehrlichen Ansprüche abzustimmen. Die Nutzungen im Erdgeschoss widerspiegeln diese Frequenzen, entsprechend waren Retail- und Gastroflächen zu planen. In den ersten beiden Obergeschossen waren Büronutzungen und in den weiteren Geschossen Wohnungen bestellt. Insbesondere in Bezug auf die Wohnungen galt es, der beidseitig lärmexponierten Lage des Gebäudes Rechnung zu tragen (Bahn- und Strassenlärm).

Zur Bearbeitung der Aufgabe wurde ein einstufiger Projektwettbewerb im selektiven Verfahren durchgeführt. In einer offenen Präqualifikation wurden sechs Architekturbüros zur Teilnahme am Projektwettbewerb selektioniert. Die zugelassenen Architekturbüros mussten ihr Planerteam mit Fachplanern aus den Bereichen Lärmschutz, Statik und Gebäudetechnik verstärken. Im Rahmen des Präqualifikationsverfahrens nahmen 38 Teams teil. Nach eingehender Prüfung der Bewerbungsunterlagen wählte das Preisgericht sechs Planerteams zur Teilnahme am Projektwettbewerb aus.

Type 1

Nordöstlicher Abschluss des Perimeters beim St.-Georgen-Platz. Der Perimeter erstreckt sich über eine Länge von ca. 100m und eine Breite von ca. 10 bis max. 25m, was insgesamt einer Fläche von ca. 2'070m2 entspricht.

Type 10
Die Bereini­gungs­stufe mit drei Projekten hat sich im Verfahren als zweck­mässig erwiesen.

Im Siegerprojekt «Pullman» stehen die Bauten wie die Waggons einer Zugkomposition am Bahnsteig (Bild: Esch Sintzel GmbH).

Type 11
Type 15

Das Projekt hat den Anspruch, sich durch optimierte Investitionskosten und möglichst geringen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten auszuzeichnen. Weiter soll die Funktionalität des Konzepts, die Flexibilität in der Ausgestaltung sowie die Wertbeständigkeit der gewählten Konstruktionen und Materialien überzeugen.

Die verschiedenen Rahmenbedingungen hatten zur Folge, dass die sechs präqualifizierten Architekturbüros in ihren Projekten verschiedene Anforderungen einzuarbeiten hatten. Anlässlich der Jurierung wurde erkannt, dass die Projekt dies nicht genügend umsetzten, weshalb sich das Preisgericht für eine Bereinigungsstufe mit drei Projekten entschied. Individuelle Dossiers erläuterten den verbleibenden Büros die Überarbeitungspunkte.

PROJEKTWETTBEWERB MIT BIM 

Gesucht war also ein herausragendes Gebäude, welches den hohen städtebaulichen und architektonischen Anforderungen an den Standort gerecht wird. Mit dem Projekt soll für die SBB und die zukünftigen Mieterinnen und Mieter eine nachhaltig hohe Flexibilität sowie Wertschöpfung erreicht werden. Zur transparenteren und effizienteren Auswertung der Wettbewerbsprojekte wurde im Rahmen dieses Verfahrens die Methode BIM (Building Information Modeling) bereits phasengerecht in den Wettbewerb integriert. Von den Wettbewerbsteilnehmenden wurde unter anderem die Abgabe eines virtuellen Gebäudemodella (VGM) erwartet.

Für das Preisgericht hat sich ein Weiterdenken an diesem Areal mittels Wettbewerb als sinnvoll erwiesen. Es zeigte sich insbesondere, dass der bestehende Gestaltungsplan von 2006 genügend Spielraum bietet, um ein überzeugendes Neubauprojekt, welches den heutigen stadträumlichen Anforderungen Gerecht wird, zu erhalten. Erst die intensive Auseinandersetzung im Rahmen des Wettbewerbs hat eine schlüssige Antwort auf die aktuellen Fragen zu diesem Schlüsselareal ergeben. Die Bereinigungsstufe mit drei Projekten hat sich aufgrund der zahlreichen Randbedingungen als zweckmässig erwiesen. Alle drei Projekte versprachen ein grosses Potenzial. Dieses wurde sehr unterschiedlich ausgeschöpft. In Bezug auf die Entscheidungsfindung war die Bereinigungsstufe für die Ausloberin somit sehr wertvoll. Die Beiträge des Projektwettbewerbs Stellwerk 2 haben ausführliche und vertiefte Diskussionen sowie wertvolle Erkenntnisse für die weitere Entwicklung des Areals ermöglicht. Das Preisgericht und die Ausloberin schätzten die sehr hohe Qualität und Vielfalt der Projektbeiträge. Überzeugen konnte schliesslich das Projekt «Pullman» von Esch Sintzel Architekten ETH SIA BSA GmbH, Zürich. Den Verfassern gelang an exponierter Lage mit umliegend einwirkenden Verkehrsströmen ein in sich ruhig ausformulierter Gebäudekörper mit einer prägenden Stirnfassade von poetischer Anmutung.

Planwerkstadt organisierte und begleitete das gesamte Verfahren des Projektwettbewerbs von der Auswahl der Fachjury bis zur Organisation der Ausstellung der Projekte.

Leistungen Planwerkstadt AG
  • Verfassen der Programme für Präqualifikation und Projektwettbewerb
  • Organisation Ausschreibung (konkurado.ch, Tec 21, etc.)
  • Organisation und Durchführung Präqualifikation
  • Verfassen Dossiers für Bereinigungsstufe mit 3 Teams
  • Vorprüfung und Jurierung, Verfassen des Juryberichts
  • Organisation und Begleitung des Verfahrens (Terminkoordination, Wettbewerbsunterlagen etc.)
  • Organisation Ausstellung mit Vernissage

Neue Wohnform «Micro-living»
Mikrowohnen
Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage nach Wohnraum, besonders auch nach Kleinwohnungen, bietet sich die Chance, mit dem Projekt Stellwerk 2 neuartige urbane Wohntypologien erfolgreich umzusetzen. In den USA und in Grossbritannien ist die Wohnform «Micro-Living» bereits sehr etabliert. Mikrowohnungen zeichnen sich aus durch eng geschnittene Grundrisse mit beschränktem Flächenangebot und bewegen sich im Rahmen von 20 bis 35 Quadratmetern. Grösstenteils wird mit «Mikrowohnen» eine Zielgruppe aus «Young Professional Singles», die normalerweise jünger als 30 Jahre alt sind, angesprochen. Ferner zählen Paare und WGs sowie ältere Wieder-Singles oder Personen, die das Mikrowohnen als Zweitwohnsitz nutzen, zur Zielgruppe. Im Stellwerk 2 sollen so sehr effizient organisierte 1.0- bis 2.5-Zimmer-Wohnungen angeboten werden.
Text / Redaktion 
Rebekka Zumsteg
Bilder 
Juliet Haller